„Hanni bleibt!“ – oder doch nicht? Darf der Wald nördlich Stuhlsatzenhaus weiterleben?
Zwei Seiten stehen sich hart gegenüber:
Natur- und Umweltschutz oder Forschung und Wissenschaft?
Hinter der Verfechtung des Natur- und Umweltschutzes steht die Interessengemeinschaft „Hanni bleibt!“, vertreten durch die Bürgerinitiative BI „Hanni bleibt!“, den NABU Saarbrücken und den BUND, während Forschung und Wissenschaft von der Landeshauptstadt Saarbücken, dem Land und der Universität Saarbrücken in den Vordergrund gestellt, sogar als alternativlos bezeichnet werden.
Als alternativlos wurde der Standort „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ auch für die Ansiedlung des CISPA – Helmholtz-Zentrums für Informationssicherheit seinerzeit (2020) bezeichnet. Inzwischen steht deren Umsiedlung nach und die Erweiterung in St. Ingbert unmittelbar bevor. Also doch nicht alternativlos?
Aufgrund dieses Umstands setzen sich beide Seiten seit Herbst letzten Jahres gerichtlich im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens auseinander. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes in Saarlouis hat nun mit Beschluss vom 30. Januar 2025 dem von der Interessengemeinschaft „Hanni bleibt!“ gestellten Eilantrag stattgegeben und den Bebauungsplan Nr. 139.02.00 „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ vorläufig bis zur Rechtskraft einer Entscheidung des Gerichts über den vom Antragsteller gestellten Normenkontrollantrag vom 20.9.2024 außer Vollzug gesetzt. Der Wald darf also vorerst nicht gerodet werden.
Die Gründe sind seitens des OVG kurz dargestellt:
1. Der Einwand der Gegenseite, es fehle hinsichtlich der angesprochenen Waldrodung an einer besonderen Eilbedürftigkeit bzw. einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragsstellers im vorliegenden Eilverfahren, weil im Bebauungsplan keine rechtsverbindliche Festsetzung der Waldumwandlung erfolgt sei, sodass vor Rodungs- und Baubeginn zunächst ein Antrag auf Waldumwandlung bei den zuständigen Behörden erforderlich sei, was aber noch nicht geschehen sei, überzeugt nicht.
Nach Ansicht des Gerichts begründet die Feststellung der anderen Nutzungsart im streitbezogenen Bebauungsplan die Umwandlung der bisherigen Waldfläche und damit in der Folge die Freistellung vom Erfordernis einer Waldumwandlungsgenehmigung durch die Forstbehörde. Eine gesonderte Rodungserlaubnis sei aus Sicht der Forstbehörde nicht erforderlich. Eine Rodung hätte damit bereits ab 1.10.2024 in Gang gesetzt werden können.
Die Verpflichtung zur Stellung eines Antrags auf Erstaufforstung binnen 3 Jahren seit Satzungsbekanntmachung wurde durch die Gegenseite bereits als Waldausgleich in den Bebauungsplan übernommen
2. Der dem Bebauungsplan zugrundeliegende Umweltbericht weist methodische Fehler auf, da
a) die vorgenommene artenschutzrechtliche Prüfung auf nicht methodengerechten Bestandserfassungen hinsichtlich des Fledermausvorkommens beruht,
b) die Erfassungsmethoden hinsichtlich des Vorkommens europäischer geschützter Vogelarten sich als unzureichend erweisen,
c) die wirbellosen Tiere (Käfer) nicht gesondert erfasst wurden.
3. Das Planvorhaben verletzt das gesetzlich normierte Zugriffsverbot, wonach es verboten ist, Fortpflanzungs- und Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
a) Die Annahme im Umweltbericht, wonach für die nicht „planungsrelevanten Vogelarten“ genügend Ausweichhabitate zur Verfügung stehen, so dass keine Verwirklichung artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote zu erwarten ist, unterliegt durchgreifenden Zweifeln.
b) Die Verneinung des Zugriffverbots für die im Plangebiet nachgewiesenen Fledermäuse hält einer Überprüfung nicht stand. Es steht nicht in Zweifel, dass die Rodung von Höhlenbäumen und Totholzbereichen das Zerstörungsverbot angesichts der Nutzung von Höhlenbäumen als (Winter-) Quartier verwirklicht.
4. Es spricht viel dafür, dass ein Fehler im Abwägungsergebnis vorliegt. Dies zeigt sich beispielsweise betreffend die artenschutzrechtlichen Belange anhand der Stellungnahme des Stadtamtes 39 (Amt für Stadtklima- und Umweltschutz), das verschiedene Bedenken gegen die Planung mitgeteilt und insbesondere auf methodische und fachliche Defizite der Artenschutzprüfung hingewiesen hatte.
Weiteren substantiierten Einwendungen der Klägerseite wie z.B.
ob der planbedingte Flächenverbrauch im Zusammenhang mit der Errichtung und Anbindung des Regenrückhaltebeckens in einer genügenden Weise ermittelt wurde,
ob es der Gegenseite gelungen ist, die Belange des Naturschutzes in Bezug auf Eingriffs- und Ausgleichmaßnahmen in einer genügenden Weise abwägungsfehlerfrei zu berücksichtigen und
ob die Auswirkungen auf das Klima in einer ausreichenden Weise ermittelt und bewertet worden sind,
ist das OVG im vorliegenden Eilverfahren nicht weiter nachgegangen, da es „nach dem gegenwärtigen Stand von einem Erfolg des Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache“ ausgeht, wie es zum Ende des knapp über 100 Seiten starken Beschlusses festhält.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen, dass sich Stadt und Land besinnen, um eine weitere drohende Klimaverschlechterung zu vermeiden.
Norbert Fugmann, 19. Febuar 2025