Resolution der Ortsgruppe Saarbrücken e.V. des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) zum „Waldschutzgebiet Steinbachtal-Netzbachtal“

Die Ortsgruppe Saarbrücken e.V. des NABU hat von den ersten Ideen an die Ausweisung ei-nes Waldschutzgebietes im rechtlichen Status eines Naturschutzgebietes im Bereich des Saar-Kohlenwaldes unterstützt. Die Ortsgruppe Saarbrücken e.V. hat die Renaturierungsmaßnah-men im Bereich des oberen Steinbachtales initiiert, in jahrelanger Arbeit um deren Durchfüh-rung gerungen und die Ausführung der Maßnahmen mit einer Summe von mehr als 30.000 € unterstützt. Seit einiger Zeit muß die Ortsgruppe Saarbrücken e.V. leider feststellen, daß im Bereich des Naturschutzgebietes „Steinbachtal-Netzbachtal“ Einiges geschieht, was nach ih-rer Auffassung nicht mit einem Urwald-Naturschutzgebiet vereinbar ist.

Daher fordert die Ortsgruppe Saarbrücken e.V. des NABU:

1. Absoluten Vorrang für die Natur und die natürlichen Prozesse im Naturschutzgebiet.

2. Keine weitere Ausweisung und Markierung von Wegen oder Pfaden.

3. Keine weiteren Ausbaumaßnahmen an den bestehenden Wegen.

4. Unterhaltungs- und Pflegemaßnahmen (z. B. zur Beseitigung umgestürzter Bäume) nur auf den ausgewiesenen behindertengerechten Wegen und den ausgewiesenen Fahrradwegen. Dort notwendige Maßnahmen nur in der zur Passage von Rollstühlen bzw. Fahrrädern erforderlichen Breite ausführen.

5. Absolutes Fahrverbot für Kraftfahrzeuge im Naturschutzgebiet.

6. Abriß der immer noch bestehenden Einrichtungen des Tontauben-Schießplatzes im Steinbachtal sowie die Sanierung des bleibelasteten Bodens im Einzugsbereich.

7. Kennzeichnung der Bäume im Bereich des Friedwaldes ausschließlich sehr unauffällig und in Bodennähe.

beschlossen auf der Mitgliederversammlung der Ortsgruppe Saarbrücken e.V. des NABU am 26.01.2006
07.07.2006 hat der Kreisverband Saarbrücken diese Resolution einstimmig verabschiedet.

Wilde Wasser

Wilde Wasser im "Urwald vor den Toren der Stadt" - Renaturierungsmaßnahmen im "Waldschutzgebiet Stein- und Netzbachtal"

von Ralf Kohl

Am 25. April 1997 unterschrieben der saarländische Umweltminister Prof. Willy Leonhardt und der NABU-Landesvorsitzende Stefan Mörsdorf am Naturfreundehaus Kirschheck nördlich von Saarbrücken eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt: „... im Bereich des Saar-Kohlenwaldes aufgrund der besonderen geologischen Bedingungen und der dort vorhandenen Natürlichkeit der Waldgesellschaften ein Waldschutzgebiet einzurichten. Schutzzweck ist die natürliche Entwicklung eines mesophilen Buchenwaldes über Karbon zu einem forstwirt-schaftlich nicht genutzten, sekundären Urwald. ... das Waldschutzgebiet erhält den Schutz-status eines Naturschutzgebietes nach § 17 Saarländisches Naturschutzgesetz (SNG) sowie einer Naturwaldzelle nach § 11 (3) Landeswaldgesetz (LWaldG).“

Mit dieser Erklärung war die Grundlage für den „Urwald vor den Toren der Stadt“ geschaffen. Der NABU-Saarbrücken war bereits in die vorausgegangenen Diskussionen um Lage, Größe etc. involviert und beteiligte sich auch weiterhin an vielen Gesprächen um das künftige Großschutzgebiet. Im August/September 1997 entstand die Idee, im ersten Abschnitt des Waldschutzgebietes, im oberen Steinbachtal, mit einem Teil des angesparten Vereinsvermö-gens Renaturierungsmaßnahmen im Gewässerbereich zu finanzieren.

Ein natürliches, von Menschen ungestörtes Fließgewässer stellt von der Quelle bis zur Mündung ein Kontinuum dar. Im Gewässer leben an die hier vorherrschenden Bedingungen opti-mal angepaßte Pflanzen und Tiere. Innerhalb eines natürlichen Gewässersystems können die Tiere ungehindert wandern. Immer wieder werden Individuen durch die Strömung gewässerabwärts - in Richtung der Mündung - verfrachtet; man spricht von Drift. Daher wandern die im Gewässer lebenden Tiere vor allem gewässeraufwärts, d.h. in Richtung der Quelle.

Es gibt Tierarten, die wasserlebende Larven besitzen, aber als erwachsene Tiere flugfähig sind, z.B. Steinfliegen, Eintagsfliegen und Köcherfliegen. Bei diesen Arten machen die Weibchen zur Eiablage einen sogenannten Kompensationsflug, d.h. sie fliegen gewässeraufwärts, Richtung Quelle. Dort legen sie ihre Eier ab, um die Verdriftung der Larven wieder auszu-gleichen. Beim Flug gewässeraufwärts orientieren sie sich an dem Glitzern des fließenden Wassers.

Durch menschliche Eingriffe wird das Kontinuum des fließenden Gewässers gestört. Gerade im Steinbachtal mit seiner Vielzahl von Wegen sind die Fließgewässer extrem zerschnitten. Durch englumige Rohre, die zudem auf der Talseite noch Abstürze von bis zu einem halben Meter besitzen, können keine Tiere gewässeraufwärts wandern. Auch eine Orientierung von fliegenden Tieren am fließenden Wasser ist nicht mehr möglich, da dies nach der Wegpassage aus einem engen, dunklen Rohr hervortritt. Solche Wegdurchlässe stellen nicht nur für was-serlebende Kleintiere wie Insekten und Krebse eine Barriere dar, sondern sind auch für ge-wässeraufwärts wandernde Fische nicht zu überwinden.

Gerade im „Urwald von morgen“ vor den Toren der Stadt Saarbrücken, im Waldschutzgebiet Steinbachtal, sollen die Bäche wieder zu kontinuierlichen Gewässern werden, die ihre Funktion als Lebensraum für komplexe Lebensgemeinschaften erfüllen können. Daher hat die NABU-Gruppe Saarbrücken einen Maßnahmenkatalog erstellt, der die Barrieren in diesem Bereich erfaßt und mögliche Renaturierungsmaßnahmen aufzeigt.

An Stellen, wo die Wege nicht weiter in der derzeitigen Form bestehen müssen, werden die englumigen Rohre mit den talseitigen Abstürzen komplett entfernt. Das Gewässer wird wie-der offengelegt.

Dort, wo Wege weiter bestehen bleiben sollen, gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Furten werden in den Weg integriert, so daß das Wasser oberflächlich und sichtbar abfließen kann.

2. Das Gewässer läuft wie bisher unter dem Weg durch; das englumige Rohr wird allerdings durch einen weitlumigen Durchlaß ersetzt, der zudem soweit in das Gewässerbett eingesenkt ist, daß talwärts kein Absturz mehr entsteht und der natürliche Untergrund des Gewässers auch im Durchlaß enthalten ist.

Die Kosten der notwendigen Maßnahmen belaufen sich nach einer ersten Schätzung auf 100000 DM, von denen der NABU-Saarbrücken die Hälfte übernehmen will. In vielen Ge-sprächen mit Landesforstverwaltung, Umweltministerium, der Landeshauptstadt Saarbrücken, dem Staatlichen Institut für Gesundheit und Umwelt und Saar-Wasser wird für das Projekt geworben und versucht, eine Kofinanzierung auf die Beine zu stellen. Im Juni 1998 wird das Projekt am Tag der Umwelt auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Versuch, Sponsoren aus der Wirtschaft zu finden, bleibt erfolglos. Da weitere Geldgeber fehlen, ist nur die Durchführung der Hälfte der erforderlichen Maßnahmen möglich, Nachdem bereits alle beteiligten Stellen der Durchführung der Maßnahmen zugestimmt haben, wird im Dezember 1998 bekannt, daß eine Chance auf Zuschüsse seitens des Umweltministeriums besteht. Hierbei steht eine zwei Drittel Finanzierung durch das Land in Aussicht. Wiederum sind Abstimmungsgespräche notwendig. Vor dem Hintergrund einer möglichen Gesamtfinanzierung der Maßnahmen wird das Konzept noch einmal überarbeitet. Die neu errechneten Kosten belaufen sich auf 180000 DM. Die NABU-Gruppe Saarbrücken stockt ihren Anteil daher auf 60000 DM auf.

Um den Zuschuß des Landes zu erhalten, muß der Antrag an das Ministerium durch die unterhaltspflichtige Kommune, d.h. die Landeshauptstadt Saarbrücken, gestellt werden. Es gelingt, die Landeshauptstadt zu gewinnen und das Amt für Grünanlagen, Forsten und Landwirtschaft, das auch für die Gewässerunterhaltung zuständig ist, übernimmt die Federführung. Im Herbst 1999 sind die Planungsunterlagen soweit vorbereitet, daß der Antrag beim Umweltministerium gestellt werden kann. Die Planungsunterlagen werden jedoch als nicht aus-reichend zurückgewiesen. Mit den wesentlich umfangreicheren, zusätzlichen Berechnungen wird ein Planungsbüro betraut. Nach vielen weiteren Gesprächen, Abstimmungen und Ortsterminen wird der Antrag im Januar 2003 erneut gestellt. Ende April 2003 wird die wasserrechtliche Plangenehmigung erteilt. Nach sechs Jahren Vorarbeit aller Beteiligten kann und darf es losgehen. Am 23. September 2003 erfolgt der erste Spatenstich des Projektes. Die Durchführung der Maßnahmen wird 2004 abgeschlossen.