Ein Holzstuhl als Zeitzeuge der Nachhaltigkeit

Von Karl-Rudi Reiter, NABU-Redaktion NiS

Der Stuhl im Nachhaltigkeitskonflikt zwischen Trumpismus und Holzkapitalismus im zeitkritischen Dialog.

Zu Beginn ein Märchen aus der Vergangenheit vor etwa 100 Jahren: Drahtige, schwitzende Arbeiter fällen und zerle gen eine dicke Buche mit Beilen und einer großen Zweimannsäge, auch Trummsäge genannt. Ein Bauer der Gegend zieht mit zwei struppigen Kaltblütern die Stammstücke aus dem Wald und über eine Rutsche auf einen Pritschenwagen. Die Rösser ziehen den Wagen einige Kilometer weiter zu einer Wassersägemühle. Vom Mühlrad getriebene, scharfe Sägen zerlegen den Stamm langsam in dicke Bretter. Dann trocknen sie einige Jahre, und der Dorfschreiner macht daraus einen schweren Stuhl in Handarbeit, verstärkt die Rückenlehne noch mit Eichenholzbrettchen. Der Stuhl steht dann viele Jahrzehnte in der Stube eines Bauern und später bei seinen Nachkommen. Über hundert Jahre später findet ein Holzbastler den alten Stuhl im Sperrmüll, restauriert ihn und stellt das Prachtstück in sein Wohnzimmer.

Im Stuhl war über hundert Jahre Kohlenstoff in der Biomasse gespeichert und somit der Atmosphäre entzogen! Als der Baum gefällt wurde, waren die Wälder von Kahlschlag, Raubbau und Monotonie geprägt. In Wäldern qualmten noch die Holzmeiler, um Holzkohle zu erzeugen. Die Preußische Forstwirtschaft legte riesige Stangenwälder für die Industrie an. Der Begriff Nachhaltigkeit war noch nicht erfunden. Der neu entwickelte Altersklassenwald sollte maximale Holzerträge liefern. Die großen Beutegreifer wurden radikal verfolgt und ausgerottet, weil der Jagdadel die Jagdzimmer mit vielen prächtigen Trophäen aus den Kopfknochen der Wildtiere schmücken wollte.

Der Werdegang eines Stuhles aus Holz in der Gegenwart vollzieht sich ganz anders. Betrachten wir es mal hier als ein modernes Nachhaltigkeitsmärchen: Eine dicke Buche, geschwächt von drei Jahren Wassermangel im Klimawandel, wird zusammen mit vielen anderen halb verdursteten oder toten Bäumen von Arbeitern mit lauten, Abgas emittierenden Kettensägen gefällt. PS-starke Dieselschlepper ziehen die Stämme an befestigte Waldwege, damit die Holztransporter sie leicht an den Lagerplätzen aufladen können. Die Waldwege wurden vorher mit Maschinen ausgebaut und befestigt und müssen unter Energieverbrauch auch regelmäßig unterhalten werden. Es gibt Menschen, die diese Wege auch Waldautobahn nennen. Die großen Baumlaster fahren dann über energieintensive Autobahnen mit den Stämmen nach Rotterdam in den Überseehafen. Kräne verladen die Stämme in die Laderäume der Überseefrachter. Diese mit Schweröl angetriebenen Schiffe mit ihren schwarzen rußigen Rauchfahnen fahren dann viele tausend Seemeilen durch das Mittelmeer (die dreckigen Abgase ziehen bis an die Badestrände der Urlauber), durch den Suezkanal bis ins Chinesische Meer zu einem chinesischem Hafen. Bei der Überfahrt werfen sie ihre Abfälle in die Meere. Im Hafen werden die Stämme wieder auf Transporter verladen und zu den Holzfabriken gebracht. In den Fabriken werden die Stämme mit Maschinen, die mit dreckigem Kohlestrom angetrieben werden, im besten Falle zu Möbeln verarbeitet.

Dort entsteht dann unser oben genannter Stuhl der Gegenwart. Er kommt wieder mit einem qualmenden Frachter oder mit einem Luftfrachter zurück nach Rotterdam. Dann durchläuft er lange Transportwege zu Händlern, Lagerhallen oder Supermärkten, bis er zusammen mit drei anderen Stühlen in einem Kaufhaus erworben wird und selbstverständlich mit einem Spritfahrzeug zu seinem endgültigen Platz im modernen Wohnzimmer gebracht wird. Weil der besagte Stuhl schlecht verarbeitet wurde, bricht nach drei Jahren ein Stuhlbein ab. Der Stuhl kommt dann mit den drei anderen Stühlen in den Sperrmüll, weil ja ein neuer Stuhl dazu nicht passen würde. Nun holt ihn der Müllschlucker, zermahlt den Stuhl mit der Häckslerwalze zusammen mit dem anderen Sperrmüll und bringt alles in eine entfernte Müllverbrennungsanlage zum Verbrennen. Man hatte sich im Kaufhaus vier neue Stühle gekauft. Sie waren ja so billig und so schön neu!

Ach ja, noch ein fast übersehener Aspekt: Die Buchen waren FSC und Naturland zertifiziert, und somit soll der Stuhl dann besonders nachhaltig produziert sein. Der abgewählte Präsident Trump hat der Welt gezeigt, wie man Wahrheit, Realität und Lüge kaum noch durchschaubar vermengen kann. Alle die aufgeführten Produktionswege von Kettensägen über die Dieselfahrzeuge und Verarbeitungsmaschinen bis zum rußenden Frachtschiff verbrauchen große Mengen fossiler Energie. Hinzu kommt der hohe Energie- und Materialverbrauch, um all die Geräte, Maschinen und Fahrzeuge zu produzieren, damit ein Wegwerfstuhl im Wohnzimmer stehen kann.

Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, mögen entscheiden, ob das Nachhaltigkeit oder ganz einfach nur Holzkapitalismus ist, und beim nächsten Einkauf über die Zusammenhänge gründlicher nachdenken.

Holztransporte nach China erfolgen in luftdichten Containern(oft aber nicht dicht), die mit dem hochgiftigem und extrem klimaschädlichem Gas Sulfurylfluorid geflutet werden um alle Lebewesen darin ab zu töten. Damit will China die Einschleppung von lebenden Schadorganismen unterbinden. In Hamburg wurde schon dieses Giftgas in Wohngebieten festgestellt. In einer Antwort des Hamburger Senats wurde offiziell betätigt dass Exportholz aus Deutschland nach China mit dem extrem giftigem Klimakiller-Gas Sulfurylfluorid behandelt wird.

Beitrag aus Naturschutz im Saarland, NiS 1/2021